Heartfields Fotomontage gewährt einen beklemmenden Einblick in eine Zeit, in der politische Propaganda mächtige Illusionen webte. Der deutsche Michel, dessen resignierte Hände sich gegen eine künstlich geschaffene Bedrohung aus Kanonen, Panzern und Kriegsflugzeugen erheben, deren Wirkrichtung allerdings konsequent nach außen zielt. Die mittlere Kanone »blickt« gar direkt in Richtung des Betrachtenden. Das ironisiert die Worte »Zu Hilfe, ich bin eingekreist« am unteren Bildrand auf treffende Weise und entlarvt die aggressiven Absichten Nazi-Deutschlands.
Heartfields kraftvolle Montage erinnert daran, wie gefährlich politische Narrative sein können. Der Fokus auf eine vermeintliche externe Bedrohung als Ablenkung innerer Herausforderungen – ein Muster, das sich bis heute wiederfindet. Auch im 21. Jahrhundert werden Medien genutzt, um narrative Kulissen aufzubauen, die im Dienste politischer Agenden stehen. Kritisch über Informationen nachzudenken, die Wahrheit hinter jedweder Form politischer Inszenierung zu suchen und sich bewusst zu machen, wie Beeinflussung die Wahrnehmung formen kann – das galt 1936 und das gilt es heute wieder.
Steffen Quasebarth ist gebürtiger Erfurter und
Moderator des MDR Thüringen Journals; als Journalist setzt er sich für authentische und relevante Medienarbeit ein.