Das Jahr 2024 ist nicht das Jahr 1933. Eine faschistische Machtergreifung in Deutschland steht nicht bevor. Es ziehen keine SA-Horden durch die Straßen und liefern sich mit KPD-Anhängern blutige Kämpfe. Auch gibt es bislang keine mit der Wirtschaftskrise Anfang der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts vergleichbaren Zustände mit vielen Millionen Arbeitslosen und einer Verelendung weiter Bevölkerungskreise.
Kann man sich deswegen beruhigt zurücklehnen? — Mitnichten.
Erstmals seit der Wende 1989/90 haben rechtsextreme Parteien in Thüringen die Chance auf eine Regierungsbeteiligung. Rassismus und offen zur Schau getragener Hass auf Menschen mit Migrationshintergrund nehmen zu. Demokratische Institutionen und Prozesse werden systematisch in Frage gestellt. Das gesellschaftliche Klima wird zusehends rauer, der Diskurs unterschiedlicher Ansichten endet viel zu oft in der sprachlosen Verhärtung der Fronten.
Angesichts dieser Entwicklung will die Ausstellung 33 Geistesblitze von John Heartfield auf historische Parallelen hinweisen. Sie setzt nicht gleich. Sie behauptet nicht, dass die NSDAP im neuen Gewand zurückkehrt. Aber aus der Geschichte lernen, heißt, sie sich aus gegebenem Anlass wieder vor Augen zu führen und neu zu bewerten.
John Heartfields Bedeutung für die künstlerische Analyse des Faschismus kann dafür nicht hoch genug eingeschätzt werden. Seit 1930 kämpfte der einstige Dadaist mit seinen Fotomontagen gegen den Aufstieg des Faschismus in Deutschland an, ab 1933 aus dem Exil, und letztlich vergeblich. Die Blätter, die er in der vom Erfurter Willi Münzenberg herausgegebenen Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (AIZ) veröffentlichte, stellen einen wichtigen Kristallisationspunkt des Widerstands gegen den menschenverachtenden Ungeist seiner Epoche dar.
Eines soll aber nicht verschwiegen werden: Heartfield als Person ist nicht unumstritten. Er trat früh in die KPD ein, bekämpfte nicht nur die NSDAP, sondern auch die bürgerlichen Parteien seiner Zeit. Er machte zudem keinen Hehl aus seiner anfänglichen Begeisterung für die Sowjetunion. Auch wenn er diese nach einem einjährigen Aufenthalt dort schnell verlor und nach seiner Rückkehr aus dem Londoner Exil in der DDR zunächst alles andere als wohlgelitten war – ein lupenreiner Demokrat im heutigen Sinne war Heartfield nicht.
Die Ausstellung konzentriert sich daher auf Heartfields Montagen gegen den Faschismus. Gezeigt werden die gedruckten Originalwerke, begleitet von aktuellen Kommentaren und Einordnungen durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Thüringen.
Für alle abgebildeten Montagen auf dieser Seite: © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2024