33Geistesblitze

© The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2024

GESELLSCHAFTLICH WACH ZU SEIN, heißt beobachten und dechiffrieren, den Tag lesen wie ein Buch – aufmerksam, die Erzählung auskostend; Widersprüche und Suggestionen aufdecken, Menschen und ihre Verführbarkeit, ihren Geltungsdrang ertragen, ihr Herz hinter dem zur Schau getragenen Appetit schlagen hören; Meinung als Meinung markieren, wo sie Wahrheit und Wahrhaftigkeit verdrängt; den Geist hinter der Parole suchen, Konsequenzen des Behauptens und Handelns ausloten, sich selbst in jenem erkennen, auf den gezeigt wird, um Empathie zu schulen, Fremdes als Eigenes zu erfahren; Aggression als Aggression ablehnen, dem Uniformen misstrauen, auch wenn es Ordnung verspricht, aber auch dem agitatorischen Einzelnen widerstehen, der für dich zu sprechen scheint, ein vorschnelles Wir behauptet; nachdenken, was uns Freiheit und Selbstbestimmung erlaubt, Offenheit als inklusiven Wert kultivieren – man muss sie teilen, nicht einmauern, damit sie uns selbstbestimmte Räume eröffnet, uns Neues erschließt, überrascht; das Volk als Souverän aushalten, auch wenn es irrt, es hören und fordern, nie nur sein Liebling sein, den Sturm der Demokratie parieren, der uns stärkt und in Spannung hält; das Hakenkreuz in jedem Bild erkennen, das dir etwas zulasten anderer verspricht, HEISST GESELLSCHAFTLICH WACH ZU SEIN.

Foto: Stadt Erfurt

Dr. Tobias J. Knoblich ist Kulturwissenschaftler, Beigeordneter für Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe der Landeshauptstadt Erfurt; daneben u. a. Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V., Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Städtetags sowie
des Fachausschusses Kultur der Deutschen UNESCO-Kommission.