33Geistesblitze

© The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Die »Saat des Todes« ist eine Collage, die in bedrückender Eindringlichkeit die Atmosphäre ihrer Entstehungszeit aufnimmt und auf die wahre Gefahr jener Jahre verweist. Wer Hakenkreuze sät, wird den Tod ernten. Millionenfach hat sich bewahrheitet, wie visionär die Collage von John Heartfield war – und sie bleibt zeitlos aktuell.

Der als Skelett dargestellte Sämann ist für Heranwachsende unserer Zeit nicht mehr ohne weiteres auf seiner symbolischen Ebene zu entschlüsseln. Er ist ein Emblem seiner Epoche, in dem sich Nationalismus, Chauvinismus und völkischer Antisemitismus verdichten. Ein solches Symbol für die gegenwärtigen Bedrohungen unserer Demokratie und ihrer Menschen muss noch geschaffen werden. Künstlerische Mittel heute müssen anders verfremden, zuspitzen und aufrütteln.

Wahr bleibt aber auch: selbst die Deutlichkeit, mit der John Heartfield seine Warnungen formuliert hat, hat das Verderben nicht verhindern können. Ganz ähnlich eine andere große Künstlerin: Bertha von Suttner hat mit ihrem aufrüttelnden Buch »Die Waffen nieder« Kriege einer Dimension, die sie kaum ahnen konnte, in ihrer ganzen Unmenschlichkeit und Brutalität beschrieben – wenig später wurde all das grauenhafte Realität.

Heartfield wie Suttner waren ihrer Zeit weit voraus. Ihre Warnungen verhallten ungehört. Dennoch sollten sie beide uns in der Gegenwart Inspiration sein. Eine Welt des friedlichen Miteinanders – aufsattelnd auf den Erfolgen des KSZE-Prozesses im »Kalten Krieg« – ist nicht nur denkbar, sondern auch möglich.

Ich gehe noch weiter: an ihr aktiv mitzutun ist die Pflicht aller, die nie wieder den Sämann beim Ausbringen seiner tödlichen Saat erleben wollen.

Foto: Delf Zeh

Bodo Ramelow ist seit Dezember 2014 Ministerpräsident des Freistaats Thüringen; zuvor war er Mitglied des Thüringer Landtags und Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, außerdem
Mitglied des Deutschen Bundestages und
Stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE.