Propaganda, mantraartig wiederholt, massenhaft verbreitet, verfolgt nur ein Ziel: Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, der Wissenschaft, der Justiz und der freien Presse zu schüren. Gesellschaftliche Ordnung zu destabilisieren. Zweifel zu säen. Fundamentale demokratische Prinzipien wie Presse- und Meinungsfreiheit zu untergraben. Ironischerweise nutzen Verfasser und Verbreiter diese Grundpfeiler als Legitimation, um Fakten als Fake-News und umgekehrt zu deklarieren. Sie berufen sich auf Meinungsfreiheit, stellt man ihre irreführenden Ansichten, die eher alternative Fakten als Meinungen sind, in Frage.
Das im Oktober 1938 unter dem Einfluss der Nazis geschwärzt veröffentlichte »Lügenmaul« steht für Propaganda und Zensur zugleich. Hitler hatte im September desselben Jahres behauptet, dass das Sudetenland die letzte territoriale Forderung Deutschlands sei – eine Lüge. Die aktuellen Parallelen im öffentlichen Diskurs sind beunruhigend, insbesondere die Kommunikationsstrategien der extremen Rechten. Die Rhetorik beschränkt sich noch auf Begriffe wie »Lügenpresse«. Doch stellt sich die Frage, was Journalisten im schlimmsten Falle erwarten würde. Was ist praktisch mit den Worten gemeint: »Wir werden uns erkennen«?
Jan Hollitzer ist seit Ende 2018 Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen (TA); zuvor war er Onlinechef, später stellv. Chefredakteur der Berliner Morgenpost und t-online.de.